Glücklichsein ist eine Wissenschaft, doch wie so vieles im Leben, fiel mir das erst auf, als sie nicht mehr da war. Ich möchte heute davon erzählen, wie ich vor fast einem Jahr eine falsche Entscheidung traf und deswegen die letzten sechs Monate in einem tiefen Loch festsaß.
Vielleicht sollte ich damit anfangen, zu erzählen, dass ich von Natur aus zur Melancholie neige. Ein Teil von mir glaubt, dass das damit zu tun hat, dass ich Schriftstellerin bin, aber gleichzeitig bin ich mir dessen bewusst, dass in genau diesem Moment überall auf der Welt Schriftsteller wütend die Faust erheben, weil ich solche Klischees weiterverbreite. Mein Leben hat Höhen und Tiefen, und oft ist von außen nicht ersichtlich, an welchem Punkt der Achterbahn ich mich gerade befinde. Wie vermutlich die meisten Menschen habe ich mir gewisse Überlebensstrategien zugelegt, um die Tiefs zu überspielen, tatsächlich ist es aber auch wirklich so, dass ich gerade dann besonders aktiv und produktiv werde, wenn es mir in Wirklichkeit hundeelend geht.
Dass es diesmal wirklich schlimm ist, wurde mir bewusst, als auch das aufhörte und ich nur noch eine leere Hülle war, die funktionierte. Was war passiert? Vor einem Jahr bewarb ich mich um eine neue Stelle. Mein erster Impuls nach dem Vorstellungsgespräch war, nein, das passt nicht zu dir, und als ich anschließend wochenlang nichts hörte, hakte ich die Sache ab. Dann plötzlich wurde ich zu einem zweiten Gespräch eingeladen und ignorierte meine erste, rückblickend betrachtet wohl ganz richtige Reaktion, ließ mich von wohlklingenden Versprechungen einlullen – und nahm die Stelle schließlich an. Zugegeben, ich war auch davor nicht glücklich, aber irgendwie war alles in Ordnung, und manchmal sollte man damit vielleicht zufrieden sein. Ich aber kündigte meinen alten Job, zog um und begann vor fünf Monaten mit meiner neuen Arbeit.
Zweifel sind normal. Ich kann mich an keinen Arbeitsplatz erinnern, an dem ich in der ersten Woche nicht glaubte, einen Riesenfehler begangen zu haben, um dann sogleich panisch meine Bewerbungsunterlagen auf Vordermann zu bringen. Der Unterschied ist, dass das gewöhnlich nach einer Woche abklingt, während der Gedanke diesmal blieb, leise und nagend. Wo war die im Vorstellungsgespräch versprochene Kreativität? Stattdessen war ich nur noch mit dem Hin-und-Her-Schieben von Daten beschäftigt, mit Statistiken und Auswertungen und Excel-Tabellen. Dann setzte die bereits beschriebene Hyperaktivität ein, die ich in allerlei kreative Projekte steckte, um der niederschmetternden Realität meines Arbeitslebens nicht ins Auge blicken zu müssen.
Spätestens, als ich anfing, mir über mein Aussehen keine Gedanken mehr zu machen und die Röcke regelmäßig wieder in den Schrank zurück zu hängen, um stattdessen irgendeine unauffällige Hosen-Shirt-Kombination anzuziehen, hätten bei mir sämtliche Alarmglocken schrillen müssen. Was folgte, waren die schlimmsten zwei Monate meines Lebens, in denen ich schlecht schlief, wenig aß und jeden Morgen beim Gedanken an die Arbeit am liebsten losheulen wollte. Allen, die jemanden in so einer Situation kennen, sei geraten: Bitte, bitte sagt nicht Sachen wie „so schlimm ist das doch nicht“ oder „sei doch froh, dass du so wenig zu tun hast“. Ich wollte das in dem Moment nicht nur nicht hören, ich fühlte mich dadurch sogar noch schlechter, weil es mir das Gefühl gab, überzureagieren. Mehr vom Leben zu erwarten, als mir zusteht.
Jeder hat ein Recht darauf, glücklich zu sein. Dieser simple Satz hat mir vielleicht das Leben gerettet, aber ich musste selbst drauf kommen, niemand hat ihn zu mir gesagt. Und so begann ich trotz wachsender Minderwertigkeitskomplexe wieder, mich zu bewerben. Ich hatte Glück, nach einem Monat ohne Erfolg bekam ich schließlich eine Einladung zum Vorstellungsgespräch, bei dem diesmal auch das ungute Gefühl ausblieb. Zwei Wochen später bekam ich die Zusage. Ob es diesmal besser läuft? Ich hoffe es zumindest. Auf jeden Fall habe ich in den letzten Monaten einiges über mich gelernt. Nur zu existieren, ist einfach nicht genug.
2 comments
Danke für diesen mutigen und ehrlichen Post. Ich finde es wirklich toll, wenn jemand über sein gefühlsleben und so private Themen so ehrlich schreibt.
Und in meiner beschränkten Welt, in der ich bisher nur ein Jahr (FSJ) richtig gearbeitet habe, habe ich das Gefühl, das ein winziges bisschen nachvollziehen zu können. Weil es mir mit der Uni letztes Semester ähnlich ging. Vor allem dieses „Beim Gedanken daran (fast) weinen müssen“. Ich hab auch versucht mir zu sagen, dass Zweifel normal sind, dass ich es mehr versuchen muss, und so weiter. Dass ich vielleicht einfach nur zu faul bin und es nicht schaffen will. Aber vielleicht sollte ich auch überlegen, einen anderen Weg einzuschlagen.
Wie auch immer, ich rede bei solchen Themen immer zu viel von mir.
Ich wünsche dir auf jeden Fall, dass es dir mit deinem neuen Job besser geht, und finde es stark von dir, dass du das letzte Mal erkannt hast, dass es dir damit nicht gut ging.
Liebe Grüße
Charlie
Das tut mir sehr leid. Ich habe es ganz änlich erfahren, nur nannte sich mein Arbeitsplatz damals Schule. Natürlich nur wenige Teenager haben Lust auf Lehrer und lernen, nur bin ich die Jahre davor wirklich gerne zur Schule gegangen und lerne bis heute unglaublich gerne neue Dinge. Nun habe ich das Abitur und bin mit meinem Praktikum recht zufrieden. Demnach, du bist nicht die Einzige und ich drücke dir ganz fest die Daumen!