Es ist ein Wunder: Ich habe ein nerdiges Spruch-T-Shirt gefunden, das ich tatsächlich tragen möchte – mit Stolz. Nicht nur, weil es Virginia Woolfs Silhouette zeigt, sondern weil das Zitat komplex ist und so wahr, dass es wehtut.
Thinking is my fighting.
Es stammt aus ihren Tagebüchern aus dem Zweiten Weltkrieg und ist ein pazifistischer Aufruf. Soldaten kämpfen mit Waffen, aber Hass entsteht im Geist und dort muss er besiegt werden, um weitere Kriege zu verhindern. „Who is Hitler? What is he? Aggressiveness, tyranny, the insane love of power made manifest, they reply. Destroy that, and you will be free“, schreibt sie in „Thoughts on Peace in an Air Raid“.
Aber es ist auch noch sehr viel allgemeiner. Als vernünftiger, einflussloser Mensch fragt man sich, wie man die Welt verbessern kann. Ich bin nicht zur Politikerin gemacht, nicht zur Revolutionärin, nicht zur Märtyrerin, nicht mal zu einem besonders sozialen Wesen. Ich bin nicht durchsetzungsfähig, keine Anführerin, kann nicht in die Initiative ergreifen und Zusammenschlüsse von Menschen finde ich generell unheimlich. Ich bin keine Kämpferin und kriege mein eigenes Leben schon nicht auf die Reihe. Aber ich kann denken – wahrnehmen, reflektieren, beurteilen, reagieren. Ich bin skeptisch, hinterfrage, wechsle Perspektiven, bilde mir meine eigene Meinung – egal, ob es um Bewertungen von Filmen geht oder um politische Geschehnisse, Ideologien. Erst das kritische Hinterfragen kann die schädlichen Mechanismen sichtbar machen, vor blinder Gefolgschaft bewahren und das Richtige und Wichtige erkennen, um ihm den Raum zu geben, der ihm gebührt. „Mental fight means thinking against the current, not with it.“ Natürlich reicht Denken nicht, die Welt zu verändern, aber Denken führt zu rationalen und mitfühlenden Überzeugungen, die das eigene Handeln und den geringen Einfluss, den man auf andere ausüben kann, lenken. Nur mit Vernunft ist unreflektiertem Hass zu begegnen. Nur die Vernunft kann die Welt verbessern und jeder vernünftige Mensch ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Und da ist immer noch mehr: Ich bin introvertiert. Ich lebe mehr in meinem Geist als in der Welt. Ich lebe Gefühle selten aus, sondern hüte sie in mir. Oft wirke ich dadurch vielleicht leidenschaftslos – während in meinem Kopf permanent Kriege geführt und Feste gefeiert werden. Thinking is my partying. Alles stets zu zerdenken ist anstrengend, aber es macht mein Leben auch so viel reicher als mich auf Input von anderen Menschen verlassen zu müssen. Ich bin mein eigener größter Feind und die Liebe meines Lebens.