The Post
Nun ist es fast genau eine Woche her, dass ich den neuen Steven-Spielberg-Film The Post gesehen habe, und es kommt mir vor, als wäre er aus dem letzten Jahr. Oder aus dem Jahr davor. Ob ich den in 20 Jahren überhaupt im richtigen Jahrzehnt zuordnen werde können? Sowie Lincoln (hier aber die schauspielerische Leistung von Daniel Day-Lewis einmal ausgenommen) ein paar Jahre zuvor, oder der Spionage-Film Bridge of Spies mit Tom Hanks, ist The Post ein sehr unscheinbarer, obwohl sehr guter Spielberg.
Tom Hanks in der ewig gleichen Rolle eines sympathischen US-Amerikaners mit einer gesunden und nicht übertriebenen Portion Patriotismus – allerdings ohne Ecken und Kanten, dafür bekommen wir eine überragende Meryl Streep. Aber wann ist Meryl Streep nicht überragend? Sie sieht in diesem auch ein bisschen aus, als wäre sie eine attraktivere Version der Thatcher-Figur, die sie in The Iron Lady gespielt hat. Wobei Streep die Verlegerin der Washington Post Kay Graham sehr zurückgenommen und nuanciert spielt.
The Post ist ein reifer Spielberg. Natürlich drückt der Film in den typischen Spielberg-Momenten voller menschlichem Lebensdrama auf die Tränendrüse. Nichtsdestotrotz ist es eine spannend erzählte Story einer Frau, die sich in einer männlich dominierten Branche – dem Verlagswesen – behaupten muss. Was haben wir im Kino gelacht: In einer Szene wird Graham eine wichtige Entscheidung abgerungen. Ein halbes Duzend Männer stehen untätig in ihrem Büro und sehen ihr dabei zu wie sie telefoniert, während die Kamera auf ihr Gesicht fährt als sie ihre Entscheidung fällt. Das ist die mit Abstand spannendste Szene im Film. Die Entscheidung, die sie dabei trifft, hat weitreichende Folgen für das gesamte Verlagswesen und die US-amerikanische Gesellschaft.
The Shape of Water
In wunderschönen Einstellungen, einem liebevoll inszenierten Setting und gewohnt bildgewaltiger Manier ist The Shape of Water ein Film, der Crimson Peak leider nie geworden ist. Nämlich ein sehr guter Film (Crimson Peak hat leider ein paar Mängel). Fast ein bisschen zu betörend und unnahbar zeigt Guillermo del Toro eine außergewöhnliche Liebesgeschichte. Einerseits ist das Liebespaar stumm, andererseits tritt männliche der Part in einer Amphibiengestalt auf. Und doch identifiziert sich Elisa (großartig: Sally Hawkins) mit diesem menschenähnlichen Versuchskaninchen mehr als mit den Menschen in ihrer Umgebung. Wovon es nicht allzu viele gibt.
Guillermo del Toro ist derzeit einer der kreativsten und fantasievollsten Autorenregisseure, der sein Handwerk versteht wie kein zweiter. Wenn es darum geht, Magie auf die Leinwand zu bringen, düstere Märchen zu erzählen, oder einfach seine Figuren miteinander interagieren zu lassen, ist er ganz weit vorne. Der Vollständigkeit halber sollte ich an dieser Stelle den vielfachen Oscar-Gewinn des Films bei der diesjährigen Verleihung erwähnen. Eigentlich ist uns das aber ziemlich egal.
Call Me By Your Name
Das ist bereits jetzt einer der schönsten Filme des Jahres für mich. So eine herrlich unaufgeregte Coming-of-Age-Geschichte des 17-jährigen Elio (Timothée Chalamet). Natürlich wird der Film auch als eine Liebesgeschichte zwischen zwei Männern, die sich auf eine neugierige und gesunde Art und Weise zueinander hingezogen fühlen, beworben. Was für mich nicht so vordergründig war – vor allem auch, weil diese Geschichte erst im letzten Drittel gezeigt wird. In erster Linie geht eher um Elios sexuelles Erwachen und natürlich projiziert er sein Begehren einerseits auf Oliver (Armie Hammer) und andererseits auf Marzia (Esther Garrel).
Zu Luca Guadagninos bekanntesten Werken zählen Io sono l’amore und A Bigger Splash, wobei keiner dieser Filme so nachwirken konnte, wie es sein aktueller vermag. Mir gehen weder die Bilder aus dem Kopf noch die Stimmung, die hier vermittelt wird. Es ist ein heißer Sommer im nördlichen Italien, die Obstbäume tragen Früchte, dass sich die Äste biegen.
Was sowohl The Shape of Water als auch Call Me By Your Name auszeichnet, ist ein wunderschöner Soundtrack. Seit einigen Tagen begleitet mich dieser Ohrwurm – Visions of Gideon – von Sufjan Stevens, an dem ich euch gerne teilhaben lasse:
Ein interessantes Detail am Rande: Michael Stuhlbarg spielt in allen drei Filmen mit.
The Post
(dt.: Die Verlegerin)
2017
Regie: Steven Spielberg
Drehbuch: Liz Hannah, Josh Singer
Schauspiel: Meryl Streep, Tom Hanks, Sarah Paulson, Michael Stuhlbarg
Kamera: Janusz Kaminski
Musik: John Williams
The Shape of Water
2017
Regie: Guillermo del Toro
Drehbuch: Guillermo del Toro, Vanessa Taylor
Schauspiel: Sally Hawkins, Octavia Spencer, Michael Shannon, Michael Stuhlbarg
Kamera: Dan Laustsen
Musik: Alexandre Desplat
Call Me By Your Name
2017
Regie: Luca Guadagnino
Drehbuch: James Ivory, André Aciman
Schauspiel: Armie Hammer, Timothée Chalamet, Michael Stuhlbarg, Esther Garrel
Kamera: Sayombhu Mukdeeprom
Bilder © 2018 Twentieth Century Fox © 2017 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH
1 comment
Ich habe mich von „The Post“ (Wobei ich den deutschen Titel „Die Verlegerin“ wegen des Fokus auf sie fast noch cooler finde) auch trotz der üblichen patriotischen Momente gut unterhalten gefühlt. Besonders wie Kay sich als Frau in einer „Männerwelt“ behauptet, fand ich super. Meryl Streep ist da wohl wirklich die perfekte Besetzung. Ich fand aber auch das Ende klasse und generell die aktuelle Note, da das Thema Pressefreiheit heute ja leider auch immer noch aktuell ist. Bei Tom Hanks gebe ich dir absolut Recht.
Ich musste gerade erstmal googlen, wieso du „Shape of Water“ mit „Crimson Peak“ vergleichst, bis ich auf den gleichen Regisseur gekommen bin :D. Für mich liegen da auch Welten zwischen, obwohl ich in beiden Fällen die Idee und den Cast toll fand.
Den Soundtrack finde ich auch wundervoll, aber bei Desplat überrascht mich das nicht. Ich achte häufig nicht auf Filmsoundtracks und kann die meisten Komponisten auch nicht zuordnen, aber Desplat bietet da eine Ausnahme.
„Call Me By Your Name“ steht definitiv auch noch auf meiner Watchlist – jetzt sogar umso mehr ;).
Viele Grüße!
Charlie