Ich vermisse mein altes Filmblog nicht, aber was mir fehlt, ist ein Ort für Kurzkritiken, Gedankenschnipsel (die den Monatsrückblick sprengen würden) und alltäglichen Kram, der so gar nichts mit Medien zu tun hat. Wie gut, dass hier aller Platz der Welt ist, um sich jeden denkbaren Ort selbst zu schaffen. Ich nenne diesen Ort „Lenas Lichtblicke“ (die, die mein Köpfchen produziert und die, die mein Leben erhellen) und er soll jeden Sonntag auf der Bildfläche erscheinen. Ich hoffe, ich finde auch regelmäßig genug Lichtblicke. Drückt mir die Daumen.
2001: A Space Odyssey
Fast 10 Jahre habe ich meinen Lieblingsfilm gemieden, aus Angst, er könnte mir mittlerweile zu prätentiös, zu kalt, zu glatt, zu langweilig sein. Aber im Zuge meines Wiedersehensfreudeprojektes war er nun mal irgendwann an der Reihe. Und ich muss sagen: Sorge gänzlich unbegründet. Im Gegenteil erschien er mir statt prätentiös gemütlich, merkwürdig zusammengestöpselt und visuell ziemlich abgefahren mit Farben und Formen und Symmetrien spielend; statt kalt verliebt in seine menschlichen Zukunfts-Alltäglichkeiten und die Professionalität der Protagonisten (wie angenehm tiefenentspannt alle sind!); statt glatt fragmentarisch und wie aus völlig solipsistischen Eingebungen spontan hingeworfen; statt langweilig visuell in jeder Sekunde fesselnd und besonders beim Duell HAL-Bowman allein durch den Ton und die Ruhe nervenzerfetzend spannend. Er ist nur ein kleiner Auszug aus etwas viel größerem Ganzen, aus Gedanken, Bildern und Welten, von denen wir nicht zu träumen wagen. Er ist komplett unfertig und gedanklich offen, dabei absolut schlüssig: nach innen streng formbewusst abgeschlossen durch Kugeln und Quader, nach außen grenzenlos. Lieblingsfilm.
The Gifted
Nachdem 2017 ein hervorragendes Serienjahr für mich war, wurde ich dieses Jahr mit noch keiner Serie so richtig warm. Schließlich, nach je eineinhalb Folgen der Pappkameraden, der erdrückenden Ästhetik und unnötigen Gewalt von Altered Carbon und Damnation, fand ich: Jetzt reichts! Ich weiß nicht, ob es eine Netflix-Krankheit ist, aber zu viele Serien setzen neuerdings lediglich auf das Erscheinungsbild, die Coolness der Helden oder eine „edgy“ Prämisse. Erzählt doch erst mal die Figuren, bevor ihr ihnen eine Aufgabe gebt, herrje! The Gifted, die X-Men-Serie um ein Mutanten-Grüppchen in Konflikt mit den Autoritäten, erfindet das Rad nun wirklich nicht neu. Die Figuren sind unterkomplex, die Handlung einfallslos, die Actionszenen lahm. Aber es ist so angenehm bescheiden, bodenständig und unbelastet. Es erinnert an den ersten X-Men-Film, in dem noch nicht die halbe Welt bedroht war, sondern lediglich eine Handvoll Menschen. Und es zerredet die Konflikte tatsächlich, statt sie als gegeben und unausweichlich zu nehmen. Ich finds nett.
The Gifted
Graham Greene:
The Human Factor
Wenn man in einem Buch einen Gedanken liest, den man selbst genau so schon gedacht hat, dann ist das schön. Noch schöner ist aber, wenn dieser Gedanke sogar noch schlüssig weitergesponnen oder in einen neuen Zusammenhang gesetzt wird und dabei eine kleine Epiphanie verursacht:
He saw the man tying up his shoelace fifty yards down the road, and he experienced a similar sense of security to that which he had once felt while he was being carried from his ward in a hospital towards a major operation – he found himself again an object on a conveyor belt which moved him to a destined end with no responsibility, to anyone or anything, even to his own body. Everything would be looked after for better oder worse by somebody else. Somebody with the highest professional qualifications. That was the way death ought to come in the end, he thought, as he moved slowly and happily in the wake of the stranger. He always hoped that he would move towards death with the same sense that before long he would be released from anxiety for ever.
So habe ich das noch nie gesehen. Den letzten Moment im Leben, den habe ich mir immer als absolutes Grauen vorgestellt – angesichts des nahenden Nichts, der Auslöschung und der Ungewissheit. Sich selbst davongleiten zu spüren … da schüttelt es mich schon beim Gedanken. Aber diese Erleichterung vor einer Vollnarkose, die kenne ich. Und ja, vielleicht ist der letzte Gedanke ja: „Puh, endlich keine Verantwortung mehr.“ Das wäre schön.
Krapfen
Fasching ist jenseits des Alters von 10 Jahren für die Tonne (für mich fantasievolles Kind war Verkleiden nämlich super!). Aber selbst die Hölle hat was Gutes: Es gibt Krapfen. Hier findet man sie zwar durchaus das ganze Jahr über, aber mein Krapfen-Appetit ist blöderweise nur auf den Februar konditioniert. Dabei ist die User Experience beim Essen echt verbesserungswürdig: Man saut sich von oben bis unten mit Puderzucker und Marmelade voll und hat dann auch noch fettige Finger. Aber so ein Nachmittagskaffee mit Krapfen: omnomnom! Schlimm ist allerdings: Seit ich nicht mehr in Bayern wohne, muss ich beim Bäcker „Berliner“ ordern. Ich bin ja sprachtolerant, aber das geht zu weit! Ich meine, nicht mal die Berliner nennen das „Berliner“ (wobei denen wiederum schon klar ist, dass die nicht in der Pfanne gemacht werden?). Und sieht es etwa aus wie ein Berliner? Nein, es sieht aus wie ein Krapfen!
5 comments
Die allgemeine Begeisterung für „2001“ wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben, auch mein Vater konnte mir das nie erklären. Ich persönlich habe den Film zweimal gesehen, bin ob der Laaaaangsamkeit schier verrückt geworden, hatte kuriose Gedanken nebenbei und fand die Erfahrung alles in allem sehr verwirrend und keinesfalls erhellend. Falls du mal lachen willst, ich hab vor Ewigkeiten ein Erstseher-Video dazu gemacht, meine Verzweiflung über diesen Film ist geradezu greifbar. 😀
Wobei ich mir den Film auch erarbeiten musste. Ich habe mir damals sehr viel über Kubrick angelesen und konnte ihn auch wirklich im Detail deuten. Aber ich habe auch das Glück, dass ich mit Filmen ohne konventionelle Handlung gut klarkomme. Für mich ist das nur eine mögliche Option beim Filmemachen, nicht die Regel. Und besonders mein Lieblingsfilm #1 darf nicht einer sein, der zu 100% erklärbar und abgeschlossen ist. Wenn er mich ein Leben lang begleiten soll, dann darf ich niemals mit ihm fertig werden. Dafür muss er mich visuell immer wieder unendlich faszinieren.
Jedenfalls nehme ich es nicht übel, wenn man keinen Zugang zu dem Film findet. Gerade mit seiner Zeitlichkeit muss man schon auf einer Wellenlänge liegen. Und deine Deutung war doch gar nicht so verkehrt. 😀 Ich finde es schön, wie viel Mühe du dir trotz allem gegeben hast. Schade finde ich nur, wenn der Durchschnittshollywoodfilm als Maßstab aller Dinge genommen wird und Abweichungen davon als anstrengendes Kunstkino abgestempelt werden. Die Welt ist verrückt und die menschliche Fantasie unendlich – warum müssen Filme immer klar und verständlich sein?
Müssen sie, finde ich, gar nicht. Aber es gibt in meinen Augen deutlich gelungenere Kunstfilme, die fremd und rätselhaft und dennoch wunderschön und berührend sind, wie zB. ‚The Fountain‘.
‚2001‘, da bin ich ganz bei Jes, kommt mir auch vor wie zu Unrecht in den Himmel gelobt. Der ganze Teil bis zu den LSD-Trip-Bildern ist genial und einzigartig in seiner Langsamkeit, aber dann driftet er -für meine persönliche Wahrnehmung (!)- in belangloses Aneinanderreihen bedeutungsschwangerer Szenerien ab. Das wirkt auf mich aber nicht kunstvoll in den Plot verwoben, wie bei ‚Fountain‘, sondern einfach nur lieblos drangeklatscht, um dem Ganzen noch schnell was NewAge-Mystizistisches zu verpassen. Das Ende hat es für mich leider versaut.
Aber ich gebe zu, heutzutage muss man fast Mut beweisen, den Film offen nicht gut zu finden.
Hach, „The Fountain“, jetzt hab ich direkt Lust bekommen, den mal wieder zu schauen, der ist großartig.
Nix, das Ende muss so! Weil es als Surreales, als Unerklärliches der Ratio (für die, denke ich, der Monolith steht) entgegentritt. Und zum Schluss stehen die Überwindung, der absolute Neubeginn und das Staunen. Ein schöneres Ende kann ich mir nicht vorstellen. (Aber „The Fountain“ ist auch ganz toll, obwohl ich ihn eigentlich eher weniger verstehe.)